
adventurecare e.V. ist eine gemeinnützige Organisation, die Familien mit Kindern hilft die Krebsdiagnose eines Elternteils besser zu verarbeiten. Der adventurecare e.V. führt Abenteuercamps für Familien mit Kindern durch. Hier kann durch das gemeinschaftliche Erleben Vertrauen, Kraft und eine positive Zukunftsorientierung gefunden werden. Im heilsamen Rahmen der Natur rücken Krankheit und Sorgen in den Hintergrund. Das Netzwerk von adventurecare e.V. bietet zudem Rat, Hilfe und Kontakt zu Gleichgesinnten und unterstützt betroffene Elternteile, Paare und Kinder gleichermaßen.
Ich selbst bin 2018 auf adventurecare e.V. aufmerksam geworden und habe die Vorsitzende Birgit auch auf dem Bundeskongress der Frauenselbsthilfe nach Krebs persönlich kennengelernt. Ihre positive Energie und Ausstrahlung haben mich erahnen lassen, wieviel Herzblut und Engagement hinter adventurecare e.V. stecken muss. Auch meine Familie war zu einem Sommercamp angemeldet, was wegen Corona jedoch abgesagt werden musste. Ich finde die Idee, Naturerleben mit Krankheitsbewältigung zu verbinden, jedoch weiterhin einmalig gut und bin gespannt, was Birgit uns im nachfolgenden Interview noch erzählen wird.

Liebe Birgit, das vergangene Jahr ist aufgrund von Corona auch für adventurecare e.V. anders verlaufen. Habt ihr als Verein trotzdem etwas Positives aus diesem Jahr ziehen können?
Ja, das konnten wir tatsächlich. Leider konnten wir ja kein einziges Camp in 2020 durchführen. Dafür haben wir letztes Jahr im August ein Helfer-Meeting veranstaltet, bei dem wir die Vereinsstruktur in Zukunft und die Ausrichtung von adventurecare in Corona-Zeiten miteinander definiert haben. Dieses Treffen war sehr intensiv und hat uns alle, die wir ehrenamtlich für adventurecare tätig sind, noch mehr zusammengeschweisst.
6 Helfer haben ein virtuelles Camp für die Kinder, die schon einmal ein Camp besucht haben, aus dem Boden gestampft und kurz vor Weihnachten veranstaltet. Das war so toll und ist jederzeit wiederholbar. 50 Kinder haben via Zoom mit Janka getanzt, eine Lamawanderung gemacht, Kuchen gebacken, es wurde eine indoor-Fussballchallenge durchgeführt und Bücher vorgestellt und besprochen, um nur einige der Aktivitäten zu nennen, die in den 2 Stunden des Zoomcalls durchgeführt wurden. Den Kindern hat es sichtlich Spass gemacht, sie haben freudig mitgemacht und für uns war es ein weiterer Beweis, was für ein super Team wir sind. Wir haben Freude und Motivation was zu gestalten und wissen jetzt, dass wir sehr flexibel auf Dinge von aussen reagieren können. Das gibt einfach ein mega Gefühl.

Mal angenommen, dieses Interview liest jetzt ein Elternteil, der an Krebs erkrankt ist und der Interesse an einem eurer Camps hat: Kannst du kurz erläutern, was derjenige in einem solchen Camp zu erwarten hat? Wie gestalten sich die Kosten? Wie läuft die Anmeldung und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Das Camp ist kostenlos für die Familien. adventurecare kommt für alles Finanzielle auf. Die Camps werden durch Spenden finanziert, unsere Helfer sind alle ehrenamtlich dabei.
Wir berechnen nur eine Anmeldepauschale von 100 Euro und die Anfahrt bezahlt die Familie selbst. Am Anfang haben wir keine Pauschale berechnet und dann festgesellt, dass Familien ihre Anmeldung lax gesehen haben und so kurzfristig abgesprungen sind, dass wir keine Familie von der Warteliste mehr ins Camp holen konnten. Jetzt mit der Pauschale ist es nie mehr passiert, irgendwie stellt sie eine starke Verbindlichkeit für die Anmeldung dar.
Sollte allerdings ein finanzieller Engpass der Familie einem Aufenthalt im Camp im Wege sehen, finden wir gemeinsam eine Lösung, so dass die Familie auf jeden Fall teilnehmen kann.
Und so geht es: In Absprache mit dem behandelnden Arzt des Krebserkrankten meldet sich die Familie per Email für das Camp an. Die Email-Adresse ist info@adventure.care. Unsere Camps sind eine Woche lang, in den Oster- und Sommerferien. Was erwartet die Familie im Camp – Unser Vereinsziel ist es, den Kindern und Eltern eine unvergessliche Zeit zu bereiten. Der Tag beginnt z.B. mit Yoga für die Erwachsenen und Frühsport für die Kinder.
Die Teilnahme an den Programmpunkten ist immer freiwillig. Im Camp gilt das Motto „Keiner muss nix – Jeder kann alles mitmachen“ . Danach machen die Kinder mit einer Helferin Smoothies, die sie dann zum Frühstücksbufett mitbringen. Nach einem reichhaltigen, vollwertigen Frühstück geht es dann zu den Morgenaktivitäten, wie Kletterwald, Basteln, Tanzen. Oder wir gehen in den Wald. Unser Helfer Roland z.B. hat sich ein „Überlebenstraining im Wald“ für die Kinder ausgedacht.

An 2 Vormittagen zeigt er Ihnen die Natur und wie sie uns beim Leben/Überleben hilft. Nachmittags machen wir dann wieder was gemeinsames. Spiele, Ausflüge an den See. Wir bauen ein Floss mit den Kindern und danach wird über den See gepaddelt. Ein Riesenspass für alle. Wir kochen selbst. Aus frischen und saisonalen Zutaten, sehr viel vegetarisch.
Wir möchten die Familien ermuntern, ihrem Körper durch gesunde Ernährung etwas Gutes zu tun. Die Eltern wiederum entspannen bei Yoga, Wanderungen oder Wellness und geniessen die Zeit zu zweit oder in Gemeinschaft. In den meisten Camps finden sich die Männer zu einer Runde zusammen, um sich auszutauschen. In unseren Camps sind es meistens die Frauen, die an Krebs erkrankt sind. Für sie steht im Zuge der Reha und Genesung ein großes Angebot an Unterstützung zur Verfügung.
Die Männer tragen die Krankheit aber auch mit. Für Familienangehörige wird aber kaum etwas angeboten. Und so ist die „Männerrunde“ ein guter Ort sich auszutauschen, Erfahrungsberichte von anderen Betroffenen zu hören, zu merken, dass man nicht der Einzige mit seinen Sorgen ist, dass es in anderen Familien die gleichen Ängste und Nöte gibt.
Es gibt auch Aktivitäten für die Familie zusammen. Jeder Tag bringt ein neues Abenteuer. Ich glaube, langweilig wird es nie. Es gibt immer ein Programm für den Vormittag und Nachmittag. Dazwischen entspannt jeder auf seine Weise. Abends bringen wir dann die Kinder mit einer Gute-Nacht-Geschichte ins Bett. Derweil sitzen die Eltern gemütlich am Lagerfeuer und lassen den Tag ausklingen. Morgens wecken wir die Kinder und helfen beim Anziehen und Richten, falls nötig. So haben die Eltern gemütlich Zeit sich auf den Tag vorzubereiten.

Fällt dir vielleicht eine besonders schöne Geschichte aus einem der letzten Camps ein, die dir gezeigt hat, wie wertvoll die Arbeit von adventurecare e.V. ist?
Oh, da gibt es sogar einige. Zum Beispiel einmal im Sommercamp. Zu Beginn stellen sich die Campteilnehmer, Helfer, wie Familien vor. Anhand eines mitgebrachten Gegenstandes erzählt jeder ein wenig von sich selbst. Als das Mädchen an die Reihe kam, sagte sie mit einem großen Seufzer, dass sie so froh ist, gehört zu haben, dass andere Kinder auch kranke Mütter hätten und dass man das auch sagen darf. Sie ging immer davon aus, dass es ein Geheimnis ist und hat über ein Jahr mit niemandem über ihre Sorgen und Ängste gesprochen. Man sah ihr die Erleichterung an, eine große Last war von ihr gefallen. Oder spontan muss ich noch an einen Jungen denken, der total verunsichert ins Camp kam. Auf den Schultern der Kinder lastet eine riesengroße Angst, wenn ein Elternteil erkrankt ist. Und Verantwortung. Er wurde von den Kindern in der Schule gemieden. Und nach dem Camp wurde er Klassensprecher! Er hat sein Vertrauen in sich wiedergefunden. Im Kletterwald z.B. als er seine Angst überwunden hat und über die Hängebrücke allein gelaufen ist. In der Gemeinschaft mit den anderen Kindern, die fühlen wie er und durch Gespräche, dass es anderen Kindern gleich geht und er nicht alleine ist. Heute sehe ich einen 18jährigen sensiblen und sehr empathischen jungen Mann, den ich mir als Helfer im Camp gut vorstellen kann. Erste Kontakte sind bereits geknüpft.

adventurecare e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich über Spenden finanziert. Gibt es auch noch weitere Möglichkeiten, um euch zu unterstützen? Kann man beispielsweise als Helfer bei euren Camps teilnehmen oder benötigt ihr noch Expertise in bestimmten Bereichen?
Spenden sind natürlich für uns ganz wichtig. Man kann uns aber auch z.B. mit Netzwerken für unsere Sache unterstützen, indem man von uns erzählt oder hilft uns mit betroffenen Familien in Kontakt zu bringen. Oder als Helfer am Camp teilnehmen. Dazu musst du 18 Jahr alt sein.
Wir haben Helfer, die die ganze Woche da sind, es gibt aber auch Menschen, die z.B. für einen Tag kommen und Massagen anbieten oder Yoga oder Joggingrunden oder Schminktipps geben oder Maniküre und Gesichtspackungen machen. Alles Menschen, die etwas sehr gut können und anderen damit eine Freude machen möchten.
Wir freuen uns, wenn uns jemand mit seinem „Können“ unterstützt. Wer Interesse hat, kann sich gerne per Email bei uns bewerben.

Magst du etwas über deine persönliche Motivation erzählen, die zur Gründung von adventurecare e.V. geführt hat?
2011 bin ich an Brustkrebs erkrankt. Die Krankheit kam plötzlich und ohne Vorwarnung in mein Leben. Krebs kann Leben zerstören. Ich habe mich entschieden auf eine andere Reise zu gehen. Ich fand erstklassige Unterstützung von Ärzten, Freunden, Psychologen. Ich baute mir ein Heilungsnetzwerk auf, das mich langsam gesund machte und das von Tag zu Tag wuchs. Gleichzeitig kam meine Kraft wieder zurück und ich schmiedete Pläne für die Zukunft.
Ich war schon immer eine Abenteurerin. Ich habe Spaß daran, meine Grenzen zu überwinden, Neues zu wagen. Mich intensiv zu spüren, das hilft mir, Herausforderungen mutig anzupacken. Aus dieser unerschöpflichen Quelle konnte ich während der Heilungsphase viel Kraft, Zuversicht und Selbstvertrauen gewinnen.
Ich dachte mir, wieso nicht auch anderen Menschen Zugang zu dieser Quelle ermöglichen. Vor allem Kindern, die Schlechtes wie Gutes oft noch viel intensiver erleben, als wir Erwachsene es tun.
Auf dem Weg der Genesung lernte ich Michaela und Hans kennen. Zusammen mit Ihnen und Herzensfreunden aus alten Tagen, Tom, Andreas und Christiane, habe ich dann adventurecare e.V. gegründet.
Wenn ich regelmäßig was über euch lesen möchte, wo kann ich mich am besten informieren? (Facebook, Instagram, Newsletter,…)
Wir sind auf Facebook und Instagram zu finden und natürlich auf unserer Homepage.
Verrätst du mir zum Schluss noch, welche Hoffnungen du in das Jahr 2021 gesetzt hast?
Natürlich hoffe ich, dass wir in diesem Jahr wieder ein Camp durchführen können. An Ostern war es nun leider wieder nicht möglich. Meine Hoffnung für 2021 ist aber viel mehr als eine Hoffnung. Ich habe die Gewissheit und Zuversicht in mir, dass, egal, was im Außen ist, wir Gutes tun können für die Familien, die es schwer haben. Deshalb treffen wir Helfer uns jeden Monat an einem virtuellen Lagerfeuer via Zoom und tauschen uns aus und planen und träumen uns wieder in das nächste Camp!
Ganz lieben Dank Birgit für das Interview!
