Über bin mit meinen Erfahrungen meine Erkrankung
betreffend immer sehr offen umgegangen. Ich mache
das aus mehreren Gründen, denn Entscheidungen
eines Menschen bestehen oft aus einem komplexen
Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren. Meine
Hauptmotivation ist die eigene Auseinandersetzung und
Verarbeitung einer Krankheit, die weiterhin mein Leben
bedroht.
Der individuelle Umgang mit einer schweren Erkrankung
ist abhängig von den Vorerfahrungen einer Person, von
ihrem Emotionstyp, der Schwere ihrer Erkrankung (denn
selbst Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs), ihrem Alter,
ihrer Lebenssituation und mindestens einem Dutzend
weiterer Einflussfaktoren.
Und selbst wenn ich alle Einflussgrößen darlegen würde,
so wäre doch kein Zweiter in der Lage, sich in eine
Situation hineinzuversetzen, die ihn genau wie mich erleben
lassen könnte.
Kein anderer hat 33 Jahre mit meinen Gedanken und
Emotionen verbracht. Ich betrachte die Dinge durch
die Brille meiner Erfahrungen und erschaffe damit eine
Wahrheit, die nur für mich gilt und auch keinen Allgemeingültigkeitsstatus
für sich beanspruchen möchte.
Ja, theoretisch kann mich die Verkäuferin an der Supermarktkasse
lesen, ebenso Exfreunde, Arbeitskollegen
oder die slowenische Nationalmannschaft im Minigolf.
Und vermutlich könnten weder alle nachvollziehen, warum
ich mich überhaupt so offenbare noch warum ich
jeweils so oder so fühle. Und das müssen sie auch nicht.
Jeder hat seine individuelle Geschichte und manche Menschen
fällen Urteile, nachdem sie in wenigen Auszügen
einen kleinen Einblick daraus erlangt haben. Dabei verarbeitet,
weint, lacht und lebt jeder doch auf seine ganz
eigene Art. Weil es nicht nur die eine Wahrheit gibt, sondern
tausend parallel existierende.
Und manchmal besteht die stärkste Herausforderung
einer Diskussion wohl darin, nicht an ihr teilzunehmen.
Nämlich in dem ernüchternden Moment, wenn ich erkenne,
dass mein Gegenüber mir gar nicht zuhören, sondern
nur eigene von ihm in Stein gemeißelte Weisheiten postulieren
möchte.